Archiv für den Monat: Oktober 2013

Aquavitae 2013 in Mühlheim an der Ruhr

Samstag, 12.10.2013, 09:48 Uhr:

Es ist kalt, feucht und meine Nase läuft. Das Wetter ist perfekt für Whisky, das Nasenhandicap stört nun schon die zweite Woche. Anscheinend habe ich über den langen Sommer viel zu wenig Islay-Medizin zu mir genommen und nun tanzen die Viren Samba mit meinem Immunsystem. 🙁

Unsere Whiskyzirkel – Reisegruppe ist heute sehr überschaubar, ganze zwei Personen. Der Rest fehlt entschuldigt, man tummelt sich in der Bundeshauptstadt, vermutlich um die Koalitionsverhandlungen auf den richtigen Weg zu bringen; fährt mit dem Motorrad um der alten Zeiten willen zelten (Hut ab bei den Nachttemperaturen und dem Niederschlagsrisiko) oder trifft sich mit früheren Kollegen aus dem Petroldunstkreis. 😉

Die im Zug anstehende Sitzplatzwahl wird hierdurch jedoch erheblich erleichtert und beschert eine stressfreie Anfahrt. Knappe zweieinhalb Stunden später erreichen wir Mühlheim und sind nach kurzem Fußweg, mittlerweile sogar bei Sonnenschein, an der Stadthalle.

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10,- € Eintritt inklusive eines Spiegelau – Sniffters (mit dem gefühlten Volumen eines bayerischen Henkeltrinkgefäßes) sind in Ordnung. Es befinden sich jedoch die 2cl und 4cl Markierungen auf dem Glas und geben etwas Sicherheit. Wir werden die Halle doch aufrechten Ganges wieder verlassen können.

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Nach einem kurzen Orientierungsrundgang, die Aussteller liegen hier leider recht unübersichtlich und auch weitläufig auf zwei Ebenen und mehreren Räumlichkeiten verteilt, versuchen wir uns an einem Rum. Dies geschieht natürlich mit dem Ziel auch unsere Sinnes- und Stoffwechselorgane langsam an den Tagesablauf zu gewöhnen. ;-D

Die Wahl ist nicht verkehrt, der Botucal „Riserva“ belohnt mit seiner rumtypischen Süße in Nase und Gaumen. Man findet viele süße Aromen neben dem reichlich vorhandenen Zucker: Zimt, dunkle Schokolade, ein paar Gewürze, Citrusaromen und mit etwas Fantasie sogar noch Eiche. Dieser Rum wird aus unterschiedlichsten Destillaten im Alter zwischen zwei und acht Jahren, die aus Pot- als auch Column-Stills stammen, hergestellt.

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Neben einigen bekannten und großen Marken, gibt es auf der Aquavitae auch viele kleine unabhängige Brennereien. Dies macht den besonderen Charme dieser Messe aus, der Whisky tritt hier, zumindest bei mir, ein wenig in den Hintergrund und macht Platz für andere spannende Geschmackserlebnisse. Neben vielen informativen Gesprächen, gibt es hier viel Neuland zu entdecken. Das mit Jürgen Marré, Brennmeister des Hauses Ziegler, geführte Gespräch über Obstbrände und Ziele der Brennerei gibt großen Anlass zur Vorfreude. Im kommenden Frühjahr werde ich ihn in der Brennerei besuchen und darf dort hoffentlich auch (m)eine Nase in die derzeit laufenden Experimente mit Finishings des Aureums stecken. Allein bei seinen Erzählungen und Beschreibungen der verwendeten Fässer tropft mir dermaßen der Zahn, dass ich keine Idee habe, wie ich es bis zum Frühjahr noch aushalten soll? Ich freu´ mir jetzt schon ein Bein ab!

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Negativ aufgefallen ist mir leider eine noch recht unbekannte deutsche Destillerie, die einen dreijährigen Single Grain Whisky vorgestellt hat, der mit dem Prädikat „äußerst strubbelig“ noch gut wegkommen würde. Daneben wartet sie auch noch mit einen mehr als penetranten „Markenbotschafter“? auf, der die nach oben offene Unsympathischkeitsskala spielend anführt. Hoffentlich helfen hier die Zeit und die Ruhe einer längeren Fassreifung diesem ADHS-Getränk zu sicherlich verdienten Ehren. Denn wenn man weiß, was Single Grain Whisky irischer Abstammung kann, wird dies auch diesem deutschen Erstlingswerk wünschen.

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Mehr als positiv fallen mir die beiden Damen von Kavalan auf. In einem recht ausführlichen Gespräch mit uns (Danke für die genommene Zeit), haben wir bereits einiges über die taiwanische Destillerie und ihren Whisky erfahren. Die inbegriffene Verkostung löst umgehend den ersten Spontankauf dieser Messe aus: Der KAVALAN Solist aus dem Ex-Bourbon-Fass belohnt mit einer Geschmackexplosion, die sogar meine lädierten Geschmacksrezeptoren aufhorchen lässt. Eine wunderbare tropische Frucht mit viel Vanille und Eiche. Preislich sicherlich kein Alltagstropfen, geschmacklich jedoch wirklich herausragend und einzigartig. Ich habe schon einige Single Malts probieren dürfen, dieser wird jedoch trotz seines Preises ein Must-Have.

Um uns den Abschied von der diesjährigen Aquavitae etwas zu erleichtern, machen wir noch einen kurzen Stopp bei einem Anbieter für „Sparkling Premium Vodka“. Mit Todesverachtung lassen wir uns ein Probiergläschen einschenken und wagen es. Ich lasse den Vortritt und kann hierdurch eine Totalentgleisung menschlicher Gesichtszüge beobachten, unsere Befürchtung trifft wohl voll und ganz zu. Auch ich probiere diese neue, tolle Marketingidee und kann umgehend den britischen Schriftsteller Derek Cooper zitieren:

„…Dann wumm! Die Schläfen dampfen, ein Erdbeben erschüttert das Haus, die Augen tränen, meine Wangen brennen, ich stütze mich auf einen Stuhl…“

Fantastisch! Leichter habe ich mir den Abschied von einer Messe noch nie gemacht. Nach unseren besten Wünschen für den Importeur und Händler verlassen wir die Stadthalle und treten, neben gefühlten 20.000 Tote Hosen Fans, unsere Zugfahrt in Richtung Heimat an.

Markus

 

 

 

Café Kratz am 28.09.2013 Thema: Whisky weltweit

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Am 28.09. war es zum zweiten Mal in diesem Jahr soweit: Das Café Kratz und der Essiger Whiskyzirkel veranstalteten ihr nächstes gemeinsames Tasting in 2013. Wir trafen auf einen gut gelaunten und enthusiastischen Gastgeber ( ohne seine große Begeisterung für unser Lieblingsgetränk wären wir wohl nicht ins Café Kratz gelangt 😉 ), sowie auf sehr interessierte und erwartungsfrohe Gäste. An dieser Stelle noch einmal einen großen Dank für die durchgängige Aufmerksamkeit, sowie den spannenden Austausch während und auch nach dem offiziellen Teil des Abends.

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Unser Programm für diesen Abend war vielversprechend und mehr als abwechslungsreich. Angefangen mit einem, in Deutschland fast gänzlich unbekannten Kentucky Liqueur, dem „Evan Williams Honey Reserve“, über den nicht ganz unbekannten „Gentleman Jack“ aus Tennessee setzen wir unsere Reise nach Norden fort. Nach dem virtuellen Grenzübertritt, völlig problemlos und ohne Visum, befanden wir uns in Kanada und trafen auf den Prohibitionsprofiteur „Crown Royal“. Er punktete aufgrund seiner ausgewogenen Geschmacksbalance mit typisch kanadischer Note. Einmal über den großen Teich gesprungen, landeten wir auf der grünen Insel:

Der Greenore 8, ein waschechter Single Grain Irish Whiskey konnte sofort einige neue Fans finden, seine feine Süße, viele Fruchtaromen und natürlich die grüne irische Wiese begeisterten auch Ersttäter. Der nächste Schritt war ein kleinerer, zumindest topografisch. Nach einer kurzen Einführung in die deutsche Whiskygeschichte und dem durchaus bekannten, wenn auch nicht geliebten, „Racke Rauchzart“ ( zum Glück nur in der Theorie, die Probe ersparten wir unseren Zuhörern ), gelangten wir nach Baden-Württemberg. An der nördlichen Landesgrenze zum Nachbarland Bayern, liegt direkt am Main gelegen die Edelobstbrennerei Ziegler. Seit 2008 wird hier der „Aureum 1865“ destilliert und gelagert. Wir hatten die 5-jährige Abfüllung im Glas. Ein beeindruckendes Ergebnis deutscher Brenn- und Lagerkunst. Frische Eichen- und Kastanienfässer in Kombination mit jahrhundertealter Destillierkunst hinterließen einen überdeutlichen Abdruck in allen Geschmackssinnen.

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Eine kurze Pause tat an dieser Stelle allen Sinnen gut, erste Gespräche bahnten sich unter allen Anwesenden an und die Vorfreude auf etwas völlig unbekanntes steigerte sich noch weiter. Die nächste Flasche hatte ihre Reise aus Indien zu uns angetreten. Indien? Indien!

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Eine Nation der man das destillieren nicht unbedingt zugesprochen hätte, gehört mittlerweile zu den weltgrößten Whiskyproduzenten. Dies gar nicht mal zu Unrecht, wie unser „Amrut Indian Single Malt Whisky“ bewies. Erstaunte Gesichter und begeisterte Kommentare aller Anwesenden bestätigten das. Familie Jagdale, die seit 1948 im indischen Silikon Valley ( Bangalore ) ihre bescheidene Destillerie betreibt, hat von den ehemaligen Kolonialherren etwas Gutes behalten, die Kunst des Destillierens, gepaart mit Wasser und Gerste vom Himalaya. Unerwartet und sehr gut.

Noch weiter östlich trafen wir auf Japan, die heimliche Hochburg des Whiskys. Dass die Asiaten schon seit langem sehr aufmerksam das Geschehen auf den Weltmärkten beobachten und gewisse Produkte studieren und um einiges verbessert auf den Markt bringen ist hinlänglich bekannt. Aber Whisky? Tradition und Anspruch liegen hier auf einem sehr hohen Niveau. Bereits seit 1923 wird in Yamazaki Whisky destilliert.

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Shinjiro Torii studierte Anfang des 20. Jahrhunderts Braukunst in England, verfiel allerdings dem Whisky ( Haselburn und Longmorn ) sowie seiner zukünftigen Ehefrau Jessie Roberta Cowan. 1920 kehrten beide in sein Heimatland zurück und gründeten, streng nach schottischem Vorbild,  Japans erste Destillerie, Yamazaki. Und genau aus dieser Destille stammte unser nächster Whisky: „Suntory Yamazaki 12 Jahre“ Ich kann nicht mehr die genauen Prädikate wiedergeben die dieses Getränk den Anwesenden entlockte, mit Sicherheit kann ich allerdings sagen, dass dies mit Abstand der Tagessieger war. Destillier- und Lagerkunst auf allerhöchstem Niveau. Wer einmal einen 18- oder gar 21-jährigen Japaner im Glas genießen durfte, weiß was beim Wasser des Lebens möglich ist.

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Lange haben Uwe und ich uns überlegt was hierauf noch folgen konnte. Zu toppen ist dieser Whisky nur ganz schwer, daher überlegten wir uns wieder zurück zu den Wurzeln der Brennkunst zu kehren. Nach Schottland natürlich, ich weiß, ich weiß, jetzt schreien die Iren aus ihrer Sicht natürlich wieder zu recht. ;-). Schottland sollte es also sein, genauer die Speyside. Wir entschieden uns für den Überraschungssieger unseres letzten Messebesuchs: der „Benromach 10“. Ein Produkt der kleinsten Destillerie der Speyside, 1898 gegründet und nach einer sehr wechselhaften Vergangenheit 1998 durch Gordon and MacPhail wiederbelebt. Überraschungssieger wurde er aufgrund seiner überragenden Geschmacksvielfalt. Feine Holzaromen gepaart mit einem tollen Schinkenrauch sowie dezenten Gewürzaromen und Zitrusaromen. Aufgrund der Fassarten ließen sich sogar Waldfruchtaromen, dunkle Schokoladentöne und Toffee wiederfinden. Auch hier bestätigten unsere Gäste unsere Wahl, der Benromach bekam Bestnoten und wird bei dem ein oder der anderen zu einem Must-have werden. Diese Geschmacksexplosion schloss auch den offiziellen Teil unseres Abends ab.

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Anschließend wurden noch viele informative und interessante Gespräche rund um unser Lieblingsthema geführt ( nochmals Danks für die dänische Anregung @ Stefan K., hier werden wir mit Sicherheit aktiv werden ). Acht völlig unterschiedliche Whiskys waren ein strammes Vorhaben, das aber dank des tollen Publikums und unseres fantastischen Gastgebers rundum gelang. Danke lieber Oezen, wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen und weitere spannende gemeinsame Themenabende.

Herzlich Wilkommen im Blog des Tasting-Teams

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Willkommen im Blog des Tasting- Teams. Wir beide weden Euch in diesem Blog immer mal wieder Neues und hoffentlich Interessantes rund um das Tasting-Team erzählen. Seien es Berichte über durchgeführte oder kommende Seminare und Tastings; Infos über Messen und Reisen, oder aber einfach „nur“ Geschmackserlebnisse und Neuigkeiten zum Thema Whisk(e)y.

Wir freuen uns immer über einen regen Austausch mit, oder über Kommentare und Anregungen von Euch.

Bis bald…

Uwe & Markus

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